Zarah Leander hat wie keine andere die Sehnsucht der Deutschen nach dem geheimnisumwitterten Weib gestillt. Ihre heroischen Frauenfiguren entsprachen so gar nicht dem faschistischen Frauenbild und bestätigten es dennoch. Sie war ein Naturereignis, ihre tiefe Stimme bezauberte ganz Europa, ihr traumwandlerischer Blick sollte über die Abgründe des Dritten Reiches hinweg täuschen. Täter wie Opfer verehrten den Star mit dem biblischen Namen Zarah. Als sie 1943, noch vor dem Fall von Stalingrad, in ihre schwedische Heimat zurückging, fühlten sich die Deutschen verlassen. Ihre Filme liefen aber weiterhin im Kino, die Ufa konnte und wollte nicht auf die enormen Einnahmen verzichten. Aufgebaut wurde sie als deutsche Greta Garbo und als Ersatz für die nach Hollywood entschwundene Marlene Dietrich. Sie war der Vamp mit Bodenhaftung, die Diva, die in Die grosse Liebe (1942) zur Soldatenfrau mutiert und damit bis zum Kriegsende über 27 Millionen Zuschauer in die Kinos lockte. Hier spiegelten und vermischten sich die realen Erfahrungen ihrer Zuschauer und Zuschauerinnen mit der unterschwelligen Propaganda. In Schweden wurde sie nach 1942 als Nazi-Star angefeindet, die Rückkehr ins Rampenlicht war mühsam. In Deutschland hatte man sie nicht vergessen, vor allem in der Bundesrepublik konnte sie als Sängerin mühelos an ihre alten Erfolge anknüpfen. Zarah Leander war trotz ihres Lampenfiebers süchtig nach der Zuneigung ihres Publikums. Selbstironisch bis zur letzten Butterfahrt war sie nicht von Auftritten abzuhalten.
Böse Zungen behaupteten, dass ihre Konzerte immer montags stattfänden, weil da die Frisöre frei hätten. Zarah hatte immer ein Herz für die Schwulen, die es ihr mit übergroßer Anhänglichkeit und Zuneigung dankten. Kein anderer Star hat den – auch nach dem Dritten Reich verfolgten – Schwulen so nahe gestanden wie Zarah Leander. War’s ihre tiefe Stimme, ihre ironische Mütterlichkeit, die Anstrengung, die es sie kostete, auch im Alter den Vamp zu geben oder doch eher ihre frivolen Liedtexte? Sie bot den Schwulen ein Gefühl des Verstandenseins. Nicht ganz unschuldig daran war ihr bevorzugter Songtexter Bruno Balz, der, selber schwul und mehrfach in die Mühlen der Justiz geraten, wusste, wovon er schrieb und welche Sehnsüchte seine Texte bedienten.
Die Hommage des Schwulen Museums zum hundertsten Geburtstag der Diva zeigt opulentes Material aus ihrem Schaffen von Bühne und Film, beleuchtet die Freundschaft zu Bruno Balz und Michael Jary und dokumentiert die schwule Verehrung. Die Exponate stammen aus den Beständen der Deutschen Kinemathek, aus dem Nachlass Bruno Balz, aus der Sammlung von Paul Seiler und vielen weiteren privaten Leihgebern und Verehrern.
Kurator: Wolfgang Theis