burger Button

Spruensuche: Hans Anton, Tänzer

26. Februar 2003 – 26. Mai 2003

In einer neuen Ausstellung gibt das Schwule Museum Einblicke in das Leben des Tänzers Hans Anton, der unter anderem am Deutschen Opernhaus an der Bismarckstraße zum Ensemble gehörte. Zahlreiche erhaltene Fotos aus seinem Nachlass dokumentieren seine phantasievollen Auftrittskostüme androgyner Art oder in Travestie sowie sein Privatleben. Über den Lebenslauf von Anton ist bisher wenig bekannt, einige aus seinem Nachlass stammende Fotoalben zeigen verschiedene Auftrittskostüme, vornehmlich aus den 1920er Jahren. Aufsehen erregend ist das Original-Kostüm als Königin von Saba aus der gleichnamigen Oper von Karl Goldmark. Anton trug es 1918 im Fronttheater während des Ersten Weltkriegs in Krotoschin – daher sein Künstlername Hans Anton Krotoschin. Heute ist dieses im orientalischen Stil gehaltene Kostüm im Besitz des Schwulen Museums. Auch sein Privatleben kann anhand von Aufnahmen von Kostümbällen, von Urlaubsreisen, sowie von Freunden und Familienmitgliedern nachgezeichnet werden. Gezeigt werden zahlreiche bisher noch nie ausgestellte Fotografien, Auftrittskostüme und Dokumente. Antons fraglos außergewöhnliche Biografie verdient es, noch weitergehend recherchiert und rekonstruiert zu werden – die Ausstellungsmacher wünschen sich viele weitere Hinweise von den Besuchern der Ausstellung. Aufgefallen war Wolfgang Theis, einem der Ausstellungsmacher des Schwulen Museums, das Kostüm schon in der großen Ausstellung zur Berliner 750-Jahr-Feier im Martin-Gropius-Bau. Das Auftrittskleid im orientalischen Stil nebst Ohrgehänge und drei Postkarten eines gewissen Hans Anton Krotoschin – und das alles aus dem Jahr 1918, selbst in Konstantinopel soll er damit aufgetreten sein! 1988 konnten dann diese Raritäten dank einer großzügigen Spende der Gesellschaft für Psychoanalyse aus Privatbesitz erworben werden. Über den Träger war sonst nichts bekannt. Der Kulturhistoriker Lothar Fischer erstand vor einigen Jahren auf dem Trödelmarkt eine Mappe mit großformatigen Fotos und erinnerte sich an dieses Kleid, das inzwischen in vielen Ausstellungen im Schwulen Museum präsentiert worden war. Die anmutige Tänzerin war eindeutig Hans Anton, ehemaliger Tänzer der Deutschen Oper Berlin und wohl bis ins Alter erst als Komparse, später als Platzanweiser in der Oper an der Bismarckstraße beschäftigt. Nach seinem Tode wurde die Wohnung aufgelöst. Im Trödel tauchte ein zweites Album mit über 60 kleinformatigen Fotos auf, das ebenfalls in die Hände von Lothar Fischer fiel. Als Theis und Fischer sich über eine Ausstellung unterhielten, erzählte Fischer, er habe Nachbarn gefragt und einige konnten sich an den alten Herrn erinnern, der Porzellanfigurinen gesammelt habe und wohl schon immer unter der gleichen Adresse gewohnt habe. Einige Tage später rief er aufgeregt im Schwulen Museum an: er hatte einer Eingebung folgend im Telefonbuch unter Anton nachgesehen und ganz in der Nähe die Schwägerin von Hans Anton entdeckt, die ein weiteres Album besitzt. Leider kann die alte Dame sich kaum noch an nähere Einzelheiten über ihren Schwager erinnern, aber das Album enthält neben Fotos auch einige Dokumente, die einerseits Licht in den Lebenslauf von Hans Anton bringen, aber andererseits viele neue Fragen aufwerfen.

Krotoschin war kein Pseudonym. Während des Ersten Weltkriegs diente Hans Anton im Ersatz-Bataillon des Füsilier-Regiments 37, das in Krotoschin stationiert war. Als Mitglied des Deutschen Opernhauses an der Bismarckstraße annonciert, trat Hans Anton in diversen Wohltätigkeitsveranstaltungen zugunsten der Kinderfürsorge, für die Kriegsanleihe, auf Wohltätigkeitsbällen und wohl auch im Fronttheater als geheimnisvolles Fräulein auf. Das Auftrittskleid gehört zum gefeierten Solotanz aus der Oper Die Königin von Saba. Auch der Konstantinopelaufenthalt bestätigt sich. Hans Anton war für längere Zeit dorthin kommandiert. Ob er dort ebenfalls auftrat, bleibt im Dunkeln. Einige Fotos geben Einblick in sein Privatleben: Mit Willy Schmidtke besucht er 1916 ein Kostümfest: Willy als Rokokogalan – Hans als schöne Schäferin. Im Album der Familie finden sich noch weitere Bilder von Willy – alle aus dem Jahr 1916. Ist Willy gefallen? Von einer flüchtigen Bekanntschaft hat man wohl kaum die Fotos sorgsam gehütet. 1922 verbrachte Hans Anton seinen Urlaub in Ragusa (heute Dubrovnik), wo er sich züchtig verhüllt am Strand fotografieren ließ. Seine Urlaubsbekanntschaft Baron Hasso von Bohna fotografiert er auf der vorgelagerten Badeinsel nackt. Noch in den siebziger Jahren war dieser Strandabschnitt fest in homosexueller Hand. Neben Auftrittsfotos mit Tanzpartnerinnen vorwiegend aus den Zwanziger Jahren taucht im Familienalbum eine Lia Larsen auf, die Hans Anton selbst fotografiert hat. Sie ist nach Auskunft der Familie die Tante seiner Schwägerin und wurde seine Vertraute. Elisabeth Paczynski-Tenczyn geborene Nickel ließ sich bereitwillig von Hänschen, wie er in der Familie hieß, schminken, frisieren und als mondäne Dame fotografieren. Sie sollen auch öfter zusammen ausgegangen sein. Welche Etablissements sie in dieser Aufmachung besucht haben, ist leider nicht überliefert.

Hans Anton war auch im Zweiten Weltkrieg Soldat – ein Foto zeigt ihn in Wehrmachtsuniform. Aus den Nachkriegsjahren sind nur noch einige wenige Fotos erhalten, keine Dokumente oder Briefe. Die Spurensuche zu Hans Antons Leben ist noch nicht abgeschlossen. Vielleicht erinnern sich einige Besucher dieser neuen Ausstellung an weitere Details?

Kurator: Wolfgang Theis