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The Lightest Shade of Aflatoon

17. März 2017 – 5. Juni 2017

Vernissage: 16.03.2017 um 19:00

Mit The Lightest Shade of Aflatoon richtet das Schwule Museum* zum ersten Mal in einer Ausstellung den Blickwinkel auf queere Menschen mit Fluchterfahrung. Die Ausstellung ist Teil des vom Projektfonds kulturelle Bildung geförderten Projektes „What’s Your Story?“, das in Zusammenarbeit mit der queeren Unterkunft Treptow und Jugend im Museum e. V. seit August 2016 läuft.

Am Anfang stand die Idee, im Rahmen eines dreimonatigen Comicworkshops mit den Bewohner_innen der queeren Unterkunft ihre Fluchtgeschichten und Wünsche für ihre Zukunft künstlerisch darzustellen. Zeichnerische Fähigkeiten wurden im Workshop vermittelt oder je nach Vorkenntnissen ausgebaut. Im zweiten Teil konzipierten sie zusammen mit professionellen Kurator_innen eine Ausstellung. Durch das Co-Kuratieren haben die Teilnehmenden vertiefende Einblicke in die museale Praxis erhalten und ihre eigenen Visionen und Geschichten in eine größere Erzählung eingebunden. Die Ausstellung kann gleichwohl von ihnen gestaltet und als sozialer Ort zur Vermittlung ihrer Geschichte und zum gegenseitigen Vernetzen genutzt werden. Die ursprüngliche Projektidee stellte sich während der Laufzeit als teilweise nicht umsetzbar heraus.

Diese Projektidee wurde nicht zuletzt durch die bestehende Residenzpflicht entschieden behindert. Das führte dazu, dass mehrere Bewohner_innen der LSBTI-Geflüchtetenunterkunft – eine Gruppe die erheblich von Mehrfachdiskriminierung betroffen ist – von der Asylgesetzgebung gezwungen wurden, die Stadt, ihre verhältnismäßig große Szene und die Unterkunft wieder zu verlassen. Auch an einem Ort, an dem sie sich Sicherheit erhofft haben, konnten sie wegen der Residenzpflicht nicht selber darüber entscheiden, wo sie sich ein neues Leben aufbauen wollen. Zum anderen wurde bei der Projektentwicklung nicht ausreichend auf die Bedürfnisse und Umstände, in denen sich die Bewohner_innen der Unterkunft befinden, geachtet und eingegangen. Hier muss selbstkritisch festgestellt werden, dass Projekte – von der ersten Projektidee an – die Projektteilnehmenden gleichberechtigt in die Projektentwicklung mit einbeziehen sollten, also Projekte mit den Teilnehmenden und nicht nur für sie zu planen und entwickeln.

Die beiden Kurator_innen zoya. und Hasan Aksyagin haben die Teilnehmenden aus der Comicworkshopphase in die Ausstellungsplanung und -umsetzung begleitet. Beide sind in der queermigrantischen Szene in Berlin seit einiger Zeit aktiv und konnten dadurch weitere Menschen mit Fluchterfahrung, die nicht in der Unterkunft wohnen, für das Projekt gewinnen. So zeigen Künstler_innen aus Syrien, Iran, Irak, Ägypten, Afghanistan, Uganda, und Sudan ihre Werke. Das gemeinsam entwickelte Projekt trägt den Titel The Lightest Shade of Aflatoon und zeigt Werke von Murtaza (in Kollaboration with  Reza), Michael Daoud, Keith King (in Kollaboration with Austin Drake Bryan), Ahmed Isam Aldin, Hussam, Petra Gall und Raja Shamam.

 

Inspiration

Bei dieser einzigartigen Mischung treffen reines Weiß und kräftiges Lila aufeinander.

Aflatoon |ˈafˈlāˈto͞on | wie Plato in den Sprachen Nordafrikas, des Mittelmeers und des Mittleren Ostens heißt. In einigen dieser Sprachen auch die Bezeichnung für lila – eine Hommage an den Philosophen, dem dieser Ton als die „schönste[.] Farbe[.]“[1] galt. Im Englischen wird der Philosoph meist im Zusammenhang mit einer nicht-sexuellen Form von Intimität genannt: der platonischen Freundschaft. In den östlichen Alltagssprachen treibt der Gründer der westlichen Philosophie, dem wir die Welt der Formen verdanken, seine etymologischen Blüten – die Konventionalisierung und zugleich Poetisierung seines exakten, systematischen Denkens.

Farbcharakter

Hier begegnet der reine, weltentrückte Plato dem majestätisch-sinnlichen Aflatoon.

Der white cube: Der perfekte Raum zum Studium von Form und Ästhetik und zugleich der Eingang in Platons Welt der Ideen – ein transzendentaler oder auch „idealer Raum, in dem die umgebende Matrix der Raumzeit symbolisch ausgelöscht ist.“[2] Vor dem reinsten aller Pigmente verschwinden Trivialitäten wie Historie und Kontext, um den Blick vom Subjekt zu lösen.

Lila: Einst die teuerste und erlesenste aller Farben, die vor allem den Herrschenden zustand: So übertrug etwa Kaiser Otto II seiner Braut Theophanu in einer purpurn gewirkten Heiratsurkunde eine umfangreiche Mitgift[3]. Dank der Suffragetten- und Frauenbewegungen in England gilt Lila heute als die Farbe des Feminismus und symbolisiert Treue und Hoffnung. Der etwas hellere Farbton Lavendel wird mit der lesbischen Liebe assoziiert.

Raumcharakter

Ein lautes und queeres Lila wirft seine Schatten auf die Wände der Galerie. Ein unergründliches Weiß antwortet darauf, indem es das Lila verschlingt, es in sich aufnimmt, so wie es Institutionen oft zu tun pflegen. Doch wo hört der eine Ton auf, wo fängt der andere an? Die Grenze zwischen den beiden verschwimmt ebenso wie die Machtverhältnisse in dieser Begegnung. Ihre Vermischung bildet die ästhetische Kulisse für eine überaus angenehme Seherfahrung.


[1] Plato, Der Staat, Übers. v. Otto Apelt (Reclam, Leipzig, 1978), 175.

[2] Brian O’Doherty, Inside the White Cube: The Ideology of Gallery Space (The Lapis Press, San Francisco 1976), 8.

[3] Alpina, FarbFamilie Violett: No. 17 Farbe Der Könige.