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Toms Erben – Kunst und Pornographie

4. Mai 1996 – 14. Juli 1996

Touko Laaksonen ist der bekannteste finnische Künstler. Allerdings nur unter seinem Pseudonym Tom of Finland. Ob in Europa, Amerika, Australien oder Japan – überall sind seine stiernackigen, kugelärschigen und auch sonst überdurschnittlich ausgestatteten Männer in der Schwulenszene präsent. Seine Zeichnungen gehören zur schwulen Allgemeinbildung.

Längst ist sein sehnlicher Wunsch, der Norman Rockwell der schwulen erotischen Kunst zu werden, in Erfüllung gegangen. Sein größter Verdienst ist die Enttabuisierung des Analverkehrs, den er unermüdlich zeichnerisch propagierte. Pornographie ist bei der Entwicklung einer schwulen Identität von zentraler Bedeutung. Mit der Erkenntnis seiner Andersartigkeit, spätestens mit seinem Coming Out, tritt der bis dahin heterosexuell erzogene Schwule in ein ganz neues Umfeld, das andere Werte und Normen lebt. Das was die Homosexuellen auch gegen ihren Willen zusammenschweißt, was sie zugleich ausgrenzt, vereinzelt und doch zu einer Gemeinschaft macht, ist die Form ihrer Sexualität. Nicht die Sexualpraktiken sind das ganz andere, sondern das Begehren des gleichen Geschlechts. Die schwule Identität kreist unaufhörlich um das Sexuelle.

1994 gab es im Schwulen Museum eine große Tom of Finland Retrospektive. Zu Ostern zeigen wir nun Arbeiten von dreizehn Künstlern und einer Künstlerin, die mehr oder weniger durch das Werk von Tom of Finland geprägt oder inspiriert sind. Claus Constantin-Rüttingers Tonskulpturen transformieren gezeichnete Pornographie in ein anderes künstlerisches Medium. Er ist Autodidakt, die intensive Auseinandersetzung mit Tom hat sein Leben verlängert. HIV-infiziert und schwer krank, hat er sich durch die Bewältigung einer neuen kreativen Technik selbst therapiert. Seine Arbeiten bilden den Mittelpunkt der Ausstellung. Ganz in der zeichnerischen Tradition von Tom of Finland stehen die Arbeiten von Ed Cervone und Uli. Die Auftragsarbeiten. Die Hans-Heinrich Salmin für verschiedene  schwule Verlage und Projekte anfertigte, sind Toms Werk nur in der akribischen Technik ähnlich. Kurt Stark steuert eine Rauminstallation bei, die sich auf die Tom of Finland Retrospektive im Schwulen Museum bezieht. Marc Brandenburg, Heinz Emigholz, Ueli Etter, Rinaldo Hopf, Wilfried Laule und Christoph Wachter sind nicht unbedingt von Tom of Finland beeinflusst. In Ihren Arbeiten gibt es mehr oder weniger offene Reminiszenzen oder ironische Fussnoten zu Toms Einfluss auf die Kunst. Die Fotografen Hajo Corsten und Ingo Taubhorn zeigen Arbeiten, die den Einfluss der Ästhetik von Tom of Finland auf die Fotografie belegen.

Kurator: Wolfgang Theis