„Unsere Geschichte muss bewahrt werden”
Arne Seydak ist im niedersächsischen Hameln geboren aber schon als Kind mit seinen Eltern viel umgezogen. Berlin ist seine elfte Stadt, mittlerweile hat er die Hälfte seines Lebens hier verbracht, fast 30 Jahre. Er hat im Personalbereich überwiegend in internationalen Zusammenhängen gearbeitet und ist seit anderthalb Jahren ausschließlich ehrenamtlich tätig. Neben seiner Arbeit im Schwulen Museum engagiert er sich etwa auch bei der Hannchen Mehrzweck Stiftung im Beirat und unterstützt schwule Geflüchtete über den LSVD.
SMU: Lieber Arne, wenn du dich nicht um deine Ehrenämter kümmerst, wie verbringst du deine Freizeit?
Ich nutze unheimlich gerne das kulturelle Angebot Berlins, das fängt an mit Kino – ich bin jedes Jahr begeisterter Teilnehmer der Berlinale. Ich liebe die vielfältige Museumslandschaft hier, und natürlich die Theater. Mein Lieblingstheater ist das Gorki Theater, aber ich gehe auch sehr gerne in die Komische Oper oder in die Philharmonie. Das sind alles Dinge, die ich zur Zeit sehr vermisse.
Wie hast du das in den letzten zwei Monaten kompensiert?
Es gibt ja ein paar Sachen, die man streamen kann, das nutze ich durchaus. Das Gorki zum Beispiel stellt immer mittwochs ein Stück was online. Aber es fehlt natürlich eine ganze Menge. Allein vorm Bildschirm zu sitzen ist nicht unbedingt mein liebstes Erlebnis. Die Interaktion vor Ort fehlt mir, das ist einfach etwas anderes.
Wie bist du zum Schwulen Museum gekommen?
Die erste Berührung fand schon in den neunziger Jahren statt. Damals war ich im Vorstand der Hannchen Mehrzweck Stiftung. Das ist ja die erste schwul-lesbische Stiftung, und wir haben damals auch Projekte im Schwulen Museum finanziell unterstützt, das steckte ja da noch etwas in den Anfängen. Seit der Zeit bin ich eigentlich ständiger Gast im Museum gewesen. Als ich dann aufgehört habe zu arbeiten, wollte ich mir das mal als Ehrenamtlicher anzuschauen. Das war fast genau vor einem Jahr. Und ich muss sagen, das macht mir sehr viel Spaß.
Was sind deine Aufgaben im Museum?
Ich bin überwiegend im Café und an der Kasse tätig, regelmäßig mittwochs zusammen mit meinem Kollegen Achim. Der hat mich auch angelernt. Mit seiner Unterstützung versuche ich meine Kenntnisse im Zubereiten von Cappuccino und Latte macchiato ständig zu verbessern. Wir bilden ein gutes Team vor Ort, glaube ich. Besonders gern gehe ich auf die Fragen unserer vielen internationalen Gäste ein.
Warum ist das Museum für dich ein wichtiger Ort?
Ich definiere mich selber ja als schwul, sehe aber das Museum als viel weiträumigeren Ort für die ganze Community – letztlich für alle, die nicht heteronormativ sind. Und für uns als Community ist es unheimlich wichtig, dass unsere Geschichte und unser Schaffen dokumentiert und bewahrt werden für die nachfolgenden Generationen. Auch zur Information des Hetero-Publikums, das wir ja durchaus auch im Museum haben. Gerade wenn Schüler oder Uni-Gruppen hier sind, freue ich mich. Ich glaube, das Museum erfüllt da eine ganz wichtige Aufgabe.
Was war deine persönliche Lieblingsausstellung?
Ich habe da einen ganz klaren Favoriten, der auch noch nicht allzu lange her ist. Mit der Ausstellung „My Dearest Sweet Love“ über Christopher Isherwood und Don Bachardy im vergangenen Jahr habe ich quasi selbst als Ehrenamtlicher im Museum angefangen, und sie hat mich von Anfang an begeistert. Das Thema hat mich seit meinem Comig Out in den siebziger Jahren begleitet – seit ich den Film „Cabaret“ gesehen hatte, der ja auf Romanen von Isherwood basiert. In den achtziger und neunziger Jahren habe ich so gut wie alles von ihm gelesen. Das ist die seltene Ausstellung, aus der ich bis zum letzten Wort wirklich alles gesehen, gelesen und gehört habe.
Wie blickst du aus die Wiedereröffnung des Museums am 13. Mai?
Grundsätzlich finde ich das großartig und ich freue mich riesig darauf, wieder tätig zu werden. Hinter den Kulissen wird gerade hart daran gearbeitet, alle Sicherheitsauflagen zu erfüllen, das finde ich gut. Zusammen mit meinem Mann habe ich aber besprochen, dass ich mir zumindest im Mai die Situation noch aus der Distanz anschaue. Er ist zehn Jahre älter, wir gehören beide zur sogenannten Risikogruppe. Deswegen möchte ich erstmal schauen, wie sich alles entwickelt, bevor ich mich wieder einsetzen lasse.