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Ehrenamtliche*r des Monats: Gernot Lindner

1. Juni 2020

„Ich mag es, Teil dieser besonderen Community zu sein”

Gernot Lindner, 59 Jahre alt, ist in der Nähe von Bamberg aufgewachsen und hat an der Münchener Kunstakademie Malerei studiert, um schließlich Kunstlehrer zu werden. Und das leidenschaftlich gern, wie er sagt. Nach Stationen in Antwerpen und in Bayreuth ist er im Jahr 2016 an einem Gymnasium in Berlin-Spandau gelandet – und nahezu zeitgleich auch im Freiwilligen-Team des Schwulen Museums. Im Interview erzählt er, was er an der Arbeit schätzt, warum er Charlotte von Mahlsdorf bewundert und wie er einmal in Salzburg dem Schriftsteller Peter Handke auflauerte.

SMU: Lieber Gernot, wenn du dich nicht im Schwulen Museum bist, wie verbringst du deine Freizeit?

Gernot: Täglich ein bisschen Bewegung ist wichtig, zum Beispiel Fahrradfahren und Yoga. Ansonsten versuche ich, möglichst viel Kultur zu erleben, soweit das momentan möglich ist – das heißt, ich bin gerade oft in Museen und Galerien zu finden, normalerweise kommen noch Kino, Theater, Konzerte und so weiter hinzu. Neben dem Schwulen Museum engagiere ich mich auch bei den Schwulen Lehrern, einer Gruppe der GEW, der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. Und dann singe ich leidenschaftlich gern bei den Rosa Cavalieren, einem Berliner Männerchor. Der übrigens gerade gut noch zwei oder drei Mitsänger vertragen könnte – also gern melden!

Wie hast du die Zeit des Corona-Lockdowns verbracht?

Also, langweilig ist mir nicht geworden – wir Lehrer haben ja weiter unterrichtet, nur eben online. Während der Osterferien habe ich in der Wohnung endlich mal alle Schränke aus- und wieder eingeräumt. Dabei habe ich lange verschollen geglaubte Bücher und CDs wiederentdeckt… zum Beispiel „Dichter und ihre Häuser”, so ein alter Bildband mit den tatsächlichen Adressen von verschiedenen Schriftsteller*innen. Damit bin ich vor vielen Jahren mal nach Salzburg gepilgert und habe stundenlang darauf gewartet, dass Peter Handke aus seinem Haus kam. Ich weiß noch, dass er am Mönchsberg wohnte. Aber aufgetaucht ist er nicht.

Wie und wann bist du zum Schwulen Museum gekommen?

Ich kenne das Schwule Museum seit ungefähr 20 Jahren. Ich war damals immer mal wieder zu Besuch in Berlin. Irgendwann landete man da auch im SMU, sowas gab es ja sonst nirgendwo. Als ich 2016 nach Berlin gezogen bin, habe ich mich gleich um ein Ehrenamt beworben und seitdem arbeite ich regelmäßig an der Kasse, im Café und in der Museumsaufsicht.

Warum ist das Museum für dich ein wichtiger Ort?

Ich mag es, ein Teil dieser besonderen Community im Museum zu sein und die dazugehörenden Menschen zu treffen. Das gilt für alle, die hier arbeiten und für unsere Besucher*innen. Und natürlich interessieren mich queere Inhalte sowie queere Kunst und Ästhetik. Ich wollte ja selbst mal Maler werden.

Was war oder ist deine persönliche Lieblingsausstellung?

In besonderer Erinnerung geblieben sind mir die Rosa-von-Praunheim-Hommage vor zehn Jahren und die Siegfried-Wagner-Schau Anfang 2017 – da war ich selbst gerade erst aus Bayreuth nach Berlin gezogen. Momentan ist es aber die neue Ausstellung „100 Objekte“, da habe ich bereits wiederholt unerwartete Geschichten entdeckt – zum Beispiel die Hotpants von Charlotte von Mahlsdorf und der dazugehörige Brief mit Einblicken in ihr Liebesleben. Sie war und ist eine Legende, aber diese Seite von ihr ist den meisten Menschen wahrscheinlich unbekannt. Ich hatte sie immer in ihren Kleiderschürzen vor Augen, weniger in kurzer Jeans. Ich habe sie schon immer bewundert, als Aktivistin und als Gründerzeitexpertin mit profundem Wissen – aber jetzt vielleicht noch etwas mehr.

Seit Mitte Mai ist das Museum wieder geöffnet. Wie hast du die ersten Wochen erlebt?

Das Café als Ort der entspannten Kommunikation fehlt mit sehr, hoffentlich dürfen wir es bald wieder öffnen! Aber ich freue mich, dass die Ausstellungen wieder zugänglich sind und das findet offensichtlich auch das Publikum. Schön ist, dass jetzt auch Archiv und Bibliothek wieder dazu kommen, so geht es in kleinen Schritten wieder nach vorn. Und an die neuen Sicherheitsmaßnahmen bin ich schon aus der Schule ziemlich gewöhnt.