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Objekts des Monats Oktober: Postkarte von Claire Waldoff

1. Oktober 2019

In den 1920erJahren galt die Sängerin Claire Waldoff in Berlin vielen als ungekrönte Königin aller Kabarettistinnen, für andere war sie ein wandelnder Skandal – denn wie die Waldoff mit Schlips und Kragen nach 23 Uhr auf der Bühne rauchend und fluchend ihr Programm durchzog, das tat in Deutschland sonst niemand. Nicht, dass sich die sagenumwobene Chanson- und Kabarettsängerin mit der rauchigen Stimme darum gekümmert hätte, was andere tun oder von ihr erwarten. Ärztin wollte sie mal werden, aber dann zog es sie doch auf die Bühne. Erst als Schauspielerin in der niedersächsischen Provinz, ab 1906 mit kleineren Auftritten in der Landeshauptstadt.  Da war sie 22 Jahre alt – und hatte ihre große Karriere als Kabarettistin gerade vor sich. „Meine einfache Art, ohne Geste, nur auf Mimik, nur auf das Minenspiel der Augen gestellt, war etwas Neues auf der Kabarettbühne. Ich war und blieb die große Nummer in meiner Einfachheit“, schrieb sie in ihren Erinnerungen „Weeste noch…?“

Claire Waldoff, als Clara Wortmann 1884 in Gelsenkirchen geboren, machte aus der Beziehung zu ihrer Lebensgefährtin Olga von Roeder niemals ein Geheimnis. Im Gegenteil! Die beiden waren immer Mittelpunkt des lesbischen Nachtlebens im Berlin der 1920er-Jahre und luden die Szene gerne zum Gedankenaustausch in ihren kulturell-politischen Salon. In der Hauptstadt war sie ein Star, bis die Nazis kamen und ihr die Bühnen nahmen. Ab 1936 wurde sie kaum noch gebucht, 1942 war es mit ihrer Karriere vorbei.

Das Schwule Museum präsentiert als Objekt des Monats Oktober eine originale Postkarte, die Claire Waldoff im November 1954, etwas über zwei Jahre vor ihrem Tod, an ihre langjährige Freundin Clara Schlücker schrieb, einer früheren Sekretärin des Deutschen Theaters. „Mausi“ nennt sie ihre langjährige Freundin darin, und erinnert leise an ein vergangenes, besseres Früher: „Ich denke noch an alles u. an Dich u. an unsere goldene Zeit. Immer Deine Claire“. Die Postkarte wurde dem Schwulen Museum von Ute Wegner überreicht – sie hatte das Stück im Nachlass ihres Schwiegervaters gefunden, dem Bruder von Clara Schlücker.

Die Karte wird den ganzen Monat Oktober lang in unserem Museumscafé ausgestellt, bevor sie ihren festen Platz im SMU-Archiv bekommt, aufgehoben für die Nachwelt. Mehr von Waldoff gibt es aktuell im Berliner BKA-Theater zu sehen, wo die Schauspielerin Sigrid Grajek die Lieder und das Leben von Claire Waldoff kongenial auf die Bühne bringt.

Die Rückseite der Postkarte von Claire Waldoff an Clara Schlücker (Foto: Alica Bonauer)