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Schätzchen des Monats: Hendrik Bruhn und das Esszimmer des Tuntenhauses

1. September 2022

„Ich glaube, ich würde mein Schätzchen meinen Mitbewohner*innen aus dem Wohnheim schenken. Mit diesem Geschenk will ich ihnen zeigen, dass ein verdrecktes Zimmer auch etwas Positives darstellen und etwas Schönes hervorrufen kann.“

Im Ehrenamts-Team ist Hendrik noch gar nicht so lange dabei. Davor war er zunächst erst mal Besucher der Ausstellungen im SMU. Jetzt engagiert er sich mit Eifer bei uns, zu unser aller Freude! Obwohl er gerade mal seit einem Monat aktiv ist, hat er uns viel zu erzählen. Hier stellt er euch seine Erfahrungen als Newbie und sein Schätzchen vor: das beliebteste Zimmer der Tunten, das Esszimmer unserer Tuntenhaus-Ausstellung!

Hallo an unseren neuen Ehrenamtlichen! Hendrik, würdest du dich bitte vorstellen? Woher kommst du, was machst und wie bist eigentlich zum Schwulen Museum gekommen?

Klar! Ich heiße Hendrik und ich bin jetzt 22 geworden. Ich komme aus Pritzwalk. Das ist im Norden des tiefsten Brandenburgs, quasi vom Dorf. Ich studiere gerade Deutsch und Geschichte auf Lehramt an der Universität Potsdam. Schon im Gymnasium habe ich Hausaufgabenhilfe oder Mathenachhilfe gegeben, bis ich mit 21 begonnen habe, Nachhilfe in Mathe, Deutsch und Englisch bei der Schülerhilfe in Babelsberg anzubieten.

Was mich jetzt hierhergebracht hat? Ich habe nach einem Ehrenamt gesucht! Tatsächlich dachte ich mir, da ich diesen bezahlten Nachhilfejob habe, möchte ich etwas zurückgeben. Ich wollte etwas machen, was mir noch mehr Spaß macht und was mich auch persönlicher betrifft. Deswegen bin ich dann zum Schwulen Museum gekommen!

Das klingt nach einem langen Weg zu uns! Möchtest du auch erzählen, was du im Museum so machst?

Genau, also ich habe bis jetzt im Empfang und in der Aufsicht gearbeitet. Im Cafébetrieb versuche ich mich gerade einzuarbeiten, aber das wird vermutlich noch ein bisschen dauern, bis ich mit den unterschiedlichen Maschinen klarkomme! Museumsdienst heißt aufpassen, dass niemand Unfug treibt, und Präsenz zeigen, um bei Fragen ansprechbar zu sein. Oder Leute während Umbauarbeiten davon abzuhalten, in einen leeren Raum zu laufen *lacht* Am Empfang begrüße ich Besucher*innen, gebe ihnen Kopfhörer für die Ausstellungen und erkläre, welche Ausstellungen gerade zu sehen sind und dass wir eine Bibliothek und Archiv haben.

Vor kurzem habe ich zum Beispiel mit einem Besucher gesprochen, der aus der Türkei kommt und wissen wollte, wo er in Berlin schwule Männer treffen kann. Er ist nämlich aus diesem Grund ins Museum gekommen und zeigte mir auf Google Translate „Ich will nur Männer“ *lacht* Da er nicht so gut Englisch konnte, habe ich mich mit Mimik und Gestik verständlich gemacht. Generell findet du hier queere Menschen, die zum ersten Mal in Deutschland sind und das Museum als erste Anlaufstelle sehen. In diesem Fall gebe ich ihnen gerne Tipps, wo sie hingehen können.

Welche Arbeit magst du hier am liebsten?

Ehrlich gesagt mag ich den Empfangsbereich schon sehr gerne, weil man direkt mit den Menschen in Kontakt kommt. Ich treffe so viel coole und lustige Menschen. Irgendwie zaubern sie mir immer ein Lächeln ins Gesicht. Ich finde, es ist ein sehr entspannter Job, wenn man mit Musik im Hintergrund arbeitet. Nach einiger Zeit wird es vielleicht ein bisschen eintönig, wenn man immer die gleichen Sätze sagt. Aber ansonsten ist der Empfang wirklich top und es gibt immer etwas zu tun.

So viel Wissen, dabei bist du erst seit kurzer Zeit Ehrenamtlicher, oder?

Ja, eigentlich erst seit einem Monat!

Achso! Weil Kolleg*innen haben mir gesagt haben: „Wir haben ein Ehrenamtlicher, er ist großartig und er hat so viele Schichten gemacht! Du musst mit ihm reden!“ Wie hast du schon so viel erlebt?

Tatsächlich! Wie viel Schichten habe ich denn gemacht? 7 oder 8? Auf jeden Fall war die größte Schicht am eintrittsfreien Sonntag. Das hat mich gefordert, das muss ich zugeben. In einer Stunde kamen 60 Leute und in der danach 70. Das war super viel!  Wenn man keine Kopfhörer mehr hat, muss man den Leuten ein bisschen im Regen stehen lassen und sagen: „Ja, Leute, sorry, wir haben gerade keine Kopfhörer mehr“. Oder wenn große Gruppen kommen, kann es schon mal vorkommen, dass man den Überblick verliert. Man fragt sich: „Habe ich jetzt schon bei allen das Ticket gesehen?“ Das war echt schön und spannend.

Tolle Arbeit! Ich glaube, wir können jetzt dein Schätzchen vorstellen. Was hast du dann gewählt?

Das Esszimmer aus der aktuellen Ausstellung „Tuntenhaus Forellenhof 1990“! Es ist nicht so ein typisches Zimmer, was man als gut situierte Bürger*in hat. Es ist nicht aufgeräumt oder luxuriös, sondern eher… verrucht wäre falsch *lacht* Aber es hat was Funktionales, zum Teil auch Dreckiges an sich – ich mein das nicht negativ. Es geht sowieso weniger Eindruck den es nach außen vermittelt, sondern um den Wert dieses Esszimmers.

Also dreckig bequem?

Genauso, dreckig bequem! *lacht*

Was verbindet dich mit deinem Schätzchen?

Es verbindet mich erstmal, dass ich dieses Esszimmer an sich einfach sehr schön finde. Manche denken vielleicht, es ist unbequem, aber ich fühle das Gegenteil. Dieser Beton, dieser Brutalismus, die Mauern ohne Tapete, alles blank, schmal und dunkel, so wie einen Klotz. Das gefällt mir! Es ist wie ein gemütlicher Klotz, er lädt ein zum Wohlfühlen.

Ich kann das verstehen! Gibt es jemanden, dem du diesen gemütlichen Klotz gerne schenken würdest?

Ich glaube, ich würde es meinen Mitbewohner*innen aus dem Wohnheim schenken. Unsere Küche ist seit kurzem sehr zugemüllt mit leeren Flaschen und Sachen, die nicht abgewaschen wurden. Mit diesem Esszimmer als Geschenk will ich ihnen zeigen, dass ein verdrecktes Zimmer auch etwas Positives darstellen und etwas Schönes hervorrufen kann.

Oder meinen Eltern, um ihnen zu zeigen, dass es neben diesem schicken Leben auch etwas anderes gibt. Etwas, das nicht auf Äußerlichkeit basiert, sondern auf inneren Werten. Darum ging es, als die Tunten wirklich da zu dieser Zeit gelebt haben, zu dieser Zeit gewirkt haben. Ich glaube, das ist einem dann scheißegal, wie das Zimmer aussieht. Es geht darum, dass man sich als Gemeinschaft wohl fühlt, auch wenn man untereinander Streitigkeiten hat, und dabei trotzdem ein Team bleibt. Dieses Zimmer ist ein Treffpunkt für alle Leute.