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Schätzchen des Monats: Jan Künemund und der Sammelband QUEER CINEMA NOW

1. August 2023

Jan Künemund dürfte als neue Leitung der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Schwulen Museums einigen von euch bekannt sein. In diesem Interview zeigt sich Jan aber auch als freier Autor, Filmkritiker und Kurator – wofür wir ihn zum Schätzchen des Monats küren. Ein Gespräch zwischen queerem Arbeitsleben und Kino.

Hallo Jan, wie super, dass du dich mit mir zum Quatschen hinhockst! Ich kenne dich zwar schon, aber vielleicht stellst du dich trotzdem kurz vor.

Also, ich bin Jan, ich mache seit März die Pressearbeit im SMU, wie du weißt, mit dir und Julia zusammen (lacht). Ich habe Literaturwissenschaften studiert, dann aber ca. 10 Jahre lang für einen queeren Filmverleih gearbeitet. Danach bin ich für sechs Jahre an die Uni gegangen, um Medienwissenschaften zu unterrichten, und habe freiberuflich als Filmkritiker und -journalist gearbeitet — das tue ich immer noch. Vor allem interessiere ich mich für das queere Kino, bei meiner alten Festanstellung habe ich allerdings auch schon Pressearbeit gemacht. Meine Beschäftigung am Schwulen Museum ist also einerseits etwas Neues, liegt aber trotzdem innerhalb eines Rahmens, in dem ich mich schonmal bewegt habe.

Bist du erst durch die Stellenausschreibung zur Presseleitung ans SMU gekommen, oder war dir die Institution schon vorher bekannt?

Genau, ich war Mitglied des Vereins seit 2018, als es eben auch darum ging, dass andere Stimmen nach vorne kommen, abseits die der weißen schwulen Cis-Männer—zu denen ich ja auch gehöre. Seitdem verfolge ich das Museum inhaltlich, ich kannte auch Leute aus dem Vorstand und dem Team.

Und wie fühlt es sich jetzt für dich an, hinter den Kulissen zu sein?

Ziemlich schön, ich mag die Institution sehr, ich mag meine Kolleg*innen und ziehe da auch professionell viel draus. An anderen Arbeitsplätzen war ich oft die einzige queere Stimme, zum Beispiel bei Filmfestivals, weshalb ich auch gefragt wurde. Hier bin ich quasi in einem aktivistischen Kontext, in dem man über bestimmte Dinge nicht reden muss, weil sie einfach klar sind. Das ist irgendwie entspannt.

Hast du dann das Gefühl, deine Medienexpertise findet hier bessere Anwendung?

Da kann ich gar nicht so viel darüber sagen, ich fand das auch immer wichtig, in nicht-queeren Institutionen eine queere Perspektive einzubringen. Ich habe das schon gerne gemacht, das war nur mit sehr viel mehr Aufwand verbunden. Hier passiert das eben aus einer aktivistischen Perspektive heraus, was mir erlaubt, meine Sichtweise innerhalb des Spektrums, welches das Schwule Museum sowieso schon abbildet, einzubringen und stark zu machen.

Stellt dich die Arbeit am SMU manchmal vor Herausforderungen, mit denen du nicht gerechnet hast?

Naja, es ist einfach eine sehr komplexe Struktur, weil man es mit vier Playern zu tun hat: mit dem Verein der Freundinnen und Freunde des Schwulen Museums in Berlin einerseits, mit dem Vorstand andererseits, sowie dem Team an Hauptamtlichen und unseren Ehrenamtlichen. Alle sind entscheidend dafür, dass das hier weiterläuft, weshalb die eine der wichtigsten Dinge bei uns die Kommunikation zwischen diesen Teilbereichen ist. Und dafür bin ich ja jetzt auch da.

Das stimmt! Wir haben dich zwar noch nicht lange bei uns, aber konntest du bereits einen Lieblingstag am SMU verbuchen?

In der kurzen Zeit habe ich bereits drei Ausstellungseröffnungen gesehen, die waren schon schön und sehr unterschiedlich. Meine erste Vernissage war die zur Rüdiger-Trautsch-Ausstellung, und da ich Rüdiger auch kannte, war sie sehr berührend für mich. Ich finde die Ausstellung an sich aber auch sehr toll, mit allem, was daran hängt: jemanden zu ehren, der so eng mit dem Haus verknüpft war und dessen Bilder man aber in einem größeren Kontext gar nicht so kennt, finde ich wichtig. Für mich werden sie als künstlerische Werke, und nicht nur als simple Dokumente unserer Geschichte sichtbar. Jetzt sieht man die größeren Zusammenhänge, von der Diplomarbeit, bei der Trautsch noch ungeoutet war und rausfinden wollte, ‚Wie funktioniert schwule Szene überhaupt?‘, bis hin zu Langzeitprojekten, bei denen ihn offenbar interessierte, wie sich die Community entwickelt. Mit der Schau hat man das alles mal vor Augen, und das war eine schöne Erfahrung.

Von Rüdigers Projekten jetzt zu einem Projekt von dir, Jan, stell uns doch bitte dein Schätzchen vor.

Ja, mein Schätzchen ist ein bisschen schäbige Eigenwerbung (lacht). Ich habe mal eine queere Filmzeitschrift mitentwickelt. Das war die sissy, und ist immer noch die sissy, die gibt es nämlich weiterhin online. In der haben wir die queeren Filme, die ins Kino kamen, von sehr interessanten Autor*innen besprechen lassen. Wir haben damals nach Leuten gesucht, die interessant und eigenwillig schreiben, damit man mal einen Raum aufmacht, der über dieses ‚hier sind Filme, in denen wir abgebildet werden‘ hinausgeht, und Filme mehr als vielschichtige Kunstwerke, über die man verschieden denken kann, bespricht. Und so haben wir das Schreiben über die Filme und die die Ästhetik der Filme zusammengebracht und daraus ein vergnügliches Heft gemacht. Während Corona hatten wir, also Björn Koll und Christian Weber vom Verleih und Verlag Salzgeber und ich, die Idee, die besten Texte rauszusuchen und damit einen Überblick über queere Filme der letzten 20 Jahre zu schaffen. Daraus ist dann dieser, wie wir ihn intern nannten, „Katzentöter“ entstanden, weil er sehr groß und schwer ist und man nicht drunter stehen will, wenn der umfällt. Ich hab mich total darüber gefreut, dass der hier im Museum bekannt ist, dass du das Buch kanntest, und das ich dem hier nochmal wiederbegegnen darf.

Tatsache, wir haben den Sammelband schon mal auf TikTok-Kanal vorgestellt, der war wirklich ein Publikumsliebling. Dir muss er auch sehr am Herzen liegen, oder?

Ja, die ersten Texte, die ich geschrieben habe, sind da tatsächlich auch drinnen, meine ersten Filmkritiken. Bei mir war das damals so, das mir ein Text, den ich in Auftrag gegeben habe, um die Ohren geflogen ist, weil die Autorin die Deadline nicht halten konnte. Der Druck rückte immer näher, also habe ich mich selbst drangesetzt. Ich lese meine früheren Texte nicht gerne, aber das war für mich damals definitiv der Beginn von was Neuem.

Was machst du denn mittlerweile anders, wenn du Texte schreibst?

Ich glaub ich bin mir meiner eigenen Haltung etwas klarer, was ich einen wichtigen Ausgangspunkt finde, wenn man über was schreibt; dass man eine klare Haltung hat, und die dann auch gut vermitteln kann. Also generell, wenn jemand über Queer oder Queeres Kino schreibt, finde ich es gut, wenn diese Person klar macht, wofür sie steht. Und diese Klarheit war nicht direkt da, am Anfang habe ich eher versucht möglichst blümerant, und wie es von meinen Vorbildern kannte, quasi so ‚schlau quatschend‘, aufzutreten. Das war aber auch mitunter ein Grund für die sissy, weil wir einfach das Gefühl hatten, dass es zu wenig Texte über queeres Kino gab. Hetero-Filmkritiker*innen ignorieren diese Filme ja gerne mal.

Du schmierst uns ja richtig Honig ums Maul! Wo finden wir diesen Sammelband?

Regulär gibt es dem im Handel, zum Beispiel bei Eisenherz, für 50 Euro—den Preis kann ich mir immer ganz leicht merken (lacht). Es gibt ihn aber auch bei uns in der Bibliothek, und in vielen Stadtbibliotheken, manchmal sogar in mehrfacher Ausführung. Also dranzukommen ist gar nicht schwierig.

Und wenn du dein Schätzchen verschenken könntest, an wen würde es gehen?

Hmm… Ist immer schwierig Sachen zu verschenken, bei denen man beteiligt war… Aber ich möchte den Band allen heterosexuellen Menschen schenken, die sich für Film interessieren, damit sie auch mal von anderen Perspektiven profitieren können.

Kannst du dein Schätzchen in drei Worten beschreiben?

Schillernd – Schlau – Schön

Aww, wie schön das über ein eigenes Projekt sagen zu können! Das ist perfekt, danke dir Jan.