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Schätzchen des Monats: Jessica Walter und das Zine „ASS-TRO-BOY“

1. Oktober 2023

Bereits 2019 war Jessica Walter im Schwulen Museum, um ihren Valentinstag zu queeren. Vier Jahre später besetzt sie die Vollzeitstelle des wissenschaftlichen Volontariats im SMU. Von ihrer Vorliebe für Vermittlungsarbeit, Zines und den Mini-Comic ASS-TRO-BOY erzählt sie hier als Schätzchen des Monats Oktober.

 

Hey Jessica! Stellst du dich kurz vor?

Kann ich machen: ich bin Jessica, ich mache hier am Schwulen Museum das wissenschaftliche Volontariat in den Bereichen Ausstellung, Archiv, Bildung und Outreach. Ich bin seit April im Haus, und war davor, während meines Studiums in der Amerikanistik, wirklich nur Besucher*in im SMU. Ich mag es, dass ich meine theoretischen Skills aus der Literatur- und Kulturwissenschaft jetzt in meiner Museumsarbeit praktisch umsetzen kann.

Wie cool! Was sind deine Themen hier am Museum?

Momentan arbeite ich an der Schnittstelle von Bildung und Archiv. Ich versuche Projekte aufzubauen, bei denen Personen, die noch keinen Zugang zum Archiv haben, einen bekommen. Also Leute, die wirklich Angst oder Ehrfurcht vor dem Archiv spüren, reinzubringen und ihnen auf niederschwellige Art zu zeigen, wie man da Zugänge finden und recherchieren kann, das mache ich gerade. Ich bin selbst gerne und viel im Archiv unterwegs und schaue mir Dinge zu den Themen Diaspora, Comics, Fotografie und Kunst an.

Das macht Sinn, ich sehe dich oft mit Museumsbesuchenden im Kontakt.

Genau, eine meiner Aufgaben ist es, Führungen zu buchen; normalerweise schreibe ich dafür unsere Guides an. Da ich aber für die Ausstellung „Photography as Way of Life. Rüdiger Trautsch. Bilder aus 50 Jahren“ kuratorische Assistenz war, und zusammen Peter Rehberg und Dragan Šimičević beispielsweise die Bildauswahl gemacht habe, gebe da auch gerne selbst die Führungen. Ich bin da wirklich stolz drauf, Peter und Dragan haben das toll gemacht.

Vermittlungsarbeit liegt dir also besonders gut?

Ja, ich glaube schon. Ich bin manchmal zurückhaltend, aber das kann ich hier ablegen. Wenn ich Führungen gebe oder Workshops mache, merke ich schnell, wie viel Inhalt eigentlich in dieser Arbeit steckt, und dann kommt es zu meinem Lieblingsmoment: wenn eine Person etwas aufschreibt, was ich gesagt habe.

Kannst du dich an dein erstes Mal im Schwulen Museum erinnern?

Das war am Valentinstag 2019. Da war ich zu einer Party der Ausstellung „Extra+Terrestrial“ hier, weil eineFreundschaftsperson Kurator*in dieser Schau war und mich eingeladen hat. Da durfte ich mit Freund*innen, die ich liebe, den Tag verbringen. Gemeinsam haben wir den Valentinstag ein bisschen gequeert.

Und hättest du gedacht, dass du vier Jahre später Teil des Teams sein wirst?

Überhaupt nicht! Zu diesem Zeitpunkt war ich am Anfang meines Master-Studiums, hatte also gerade erst etwas Neues begonnen. Und zwischen damals und jetzt sind ja bekanntermaßen ganz viele unerwartete Dinge passiert… Ich habe mir damals die Zukunft noch nicht so gut vorstellen können.

Es fühlt sich so an, als wärst du schon immer mit uns gewesen.

Das empfinde ich auch so, dabei bin ich erst knappe fünf Monate hier. Ich hab mich schnell eingefunden und mit meinen Kolleg*innen verstanden. Die Einarbeitung lief auch fix, wobei das natürlich nicht nur meiner tollen Persönlichkeit zuzutragen ist, sondern eben meinen super Kolleg*innen!

Ein großes Kompliment! Wie lange kennst du schon dein Schätzchen?

Mein Schätzchen kenne ich seit dem Queer History Month, da hat nämlich Frede aus dem Guides-Team eine Archivführung gegeben und ein paar Archivalien ausgelegt. Da war ich dann schnuppern, um zu sehen, was Frede denn so interessiert, und bin dabei auf dieses Zine gestoßen: ASS-TRO-BOY von Uranus Comics.

Um was handelt es sich hier?

Ich hab ein bisschen recherchiert und gesehen, dass dieses Zine auf dem japanischen Manga Astro Boy basiert. Bei ASS-TRO-BOY geht es um einen kleinen Roboter, der gemacht worden ist, um ein Bottom zu sein. Was ich ganz interessant finde, dass wir nur Chapter 2 haben, so dass die Geschichte ganz viele Leerstellen hat, es fehlt einfach viel Kontext. Trotzdem ist es spannend zu sehen, wie ASS-TRO-BOY auf einen anderen Planeten flüchtet und es sich dort durch seinen großen Arsch gemütlich machen kann.

Hast du eine Vorstellung, warum du so viel Gefallen an diesem Objekt findest?

Ja, mir gefällt es so sehr, weil ich Zines liebe und auch selbst Zines mache. Das Format begeistert mich, weil es einfach was Spielerisches hat, mit queeren Inhalten umzugehen und niederschwellig kreativ zu sein. Auch mag ich den anti-kapitalistischen Aspekt von Zines, weil sie DIY sind, also leicht zu produzieren, zu reproduzieren und zu verschenken. Ich kenne Zines aus der Punkrock-Szene,die existieren gewissermaßen außerhalb einer kapitalistischen Verwertungslogik. Da ging es dann eher darum, etwas selbst zu machen, anstatt auf Herausgebende zu warten, oder darauf zu warten, dass man ‚bereit‘ ist, was ja auch so eine Hürde im kreativen Bereich ist. So ein Zine, vor allem ein Mini-Zine wie dieses, kann sowas dann auflockern.

Cool! Wenn du sagst du machst selber Zines, geht es in diesen dann auch um große Popos, oder hast du andere Themen?

(lacht) Meine Zines sind auf jeden Fall mein künstlerisches Outlet. Privat bin ich eine schreibende Person und versuche, damit andere Menschen zu erreichen, vielleicht sogar inspirieren. Träume sind zum Beispiel ein Thema, das mich beschäftigt.

Dein Schätzchen in drei Worten?

Spielerisch, subversiv und abenteuerlich. Das Ding am Ende von ASS-TRO-BOY ist seine Erkenntnis, die er formuliert mit: „I am an amazing robot!“ – das hat also viel mit Selbstliebe und Anerkennung zu tun. Zum Schluss war ich wirklich stolz auf ASS-TRO-BOY, und er auch, deshalb endet die Geschichte auch mit den Worten „I am free“… Vielleicht nehme ich dann doch „spielerisch subversive Selbstliebe“.

Sehen so auch Schätzchen aus, die du noch im Museum vermisst?

Ich denke wir haben davon schon viele, aber ich bin gierig und will mehr. Deshalb wünsche ich mir noch mehr Objekte, die einen spielerischen Zugang zu vielleicht auch schwierigen Themen bieten. Also Dinge aus unserer queeren Geschichte, die uns Freude bringen und uns aufleuchten lassen.

 

Foto: mino Künze