Vom 7. Dezember 2014 bis 23. März 2015
Eröffnung am 6. Dezember um 19 Uhr
Kurator_innen: Judith Luks, Kulturmanagerin, Verlegerin & Thomas Schoenberger, Kunsthistoriker
Bis zur Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts waren die West Side Piers am Hudson River von Manhattan das Versorgungszentrum für den Warenverkehr von New York. Nach dem Zerfall der Piers entwickelte sich das Areal zu einem Fokus sexueller und künstlerischer Subkulturen.
Der jüdische Fotograf und Akteur Leonard Fink (1930–1992) war einer der maßgeblichen Historiografen jener Entwicklungen, einer Sexualisierung jenes Ortes, der fast zeitgleich zum Ausgangspunkt neuer künstlerischer Interventionen wurde, als Vito Acconci, Gordon Matta-Clark, Richard Serra und viele andere sich von den erstarrten institutionellen Zwängen befreiten und die Interieurs verfallender Pier-Anlagen für die Authentizität ihrer installativ-performativen Arbeiten nutzten.
Leonard Finks Fotografien sind visuelle Aufzeichnungen über das tägliche Leben an den Piers, über das Cruising, das Sonnenbaden, das Posen vor den Bars Ramrod, Badlands und der Keller Bar an der Weststreet, die die Piers mit dem Greenwich Village verbindet. Nicht weit davon entfernt verläuft die Christopher Street, in der nach einem Polizeieinsatz, Ende der sechziger Jahre, die Stonewall-Unruhen ausgebrochen waren.
Fink dokumentierte mit seinen Fotografien über die Piers auch den Zerfall einer heute nicht mehr existierenden Architektur an der West-Seite von Manhattan, der das allmähliche Erlöschen jener Subkulturen nach sich zog.
Leonard Fink wurde 1930 in New York City geboren und wuchs an der West Side von Manhattan auf. Während Leonards Kindheit war sein Vater in Japan und später in Korea als Militärarzt stationiert. Leonard wurde jüdisch-orthodox erzogen und feierte seine Bar Mitzwa, als Erwachsener war er jedoch nicht praktizierender Jude. Fink schloss die Louisiana State University mit dem Bachelor ab, danach diente er in den frühen 1950er Jahren in der U.S. Armee und stieg zum Rang des Sergeant auf. Er wollte eigentlich Architekt werden, jedoch brachten ihn seine Eltern von einer Laufbahn in den Künsten ab. Stattdessen studierte er an der New York Law School Jura. Er arbeitete fast sein ganzes Leben lang als Anwalt bei New York City Transit, dem öffentlichen Verkehr. Es wird berichtet, dass er seinen Beruf hasste. Seiner Familie gegenüber hat er sich nie als schwuler Mann geoutet. Ein Bruder erzählt, dass er von der schwulen Identität Leonards erst erfuhr, als er in seiner Wohnung eine seiner sexuell expliziten Fotografien sah.
Obwohl Fink seine Fotografien zu Lebzeiten nie ausgestellt hat, zeigte er sie Freund_innen und verschickte sie als “Grußkarten”. Zum Beispiel zeigte er viele seiner freizügigsten Bilder James Gigliello, den er 1980 kennenlernte. Er fotografierte Gigliello in seiner Wohnung und Gigliello schaute ihm dabei zu, wie er die Aufnahmen in seiner improvisierten Dunkelkammer in der Wohnung entwickelte. Gigliello zufolge war Fink, immer mit der Kamera um den Hals und auf Rollschuhen, in der schwulen Szene des West Village in den frühen 1980er Jahren so bekannt, dass er scherzhaft als inoffizieller “Bürgermeister von Christopher Street” bezeichnet wurde. Gigliello sprach lange über Finks Humor und beschrieb ihn als wundervollen Imitator, der besonders die Figur Ernie aus der Sesamstrasse perfekt nachahmen konnte. Fink starb 1992 an HIV/AIDS. Diese biografischen Angaben beruhen auf Gesprächen von Jonathan Weinberg mit Susan Fink Caplan, Andrea Fink, Howard Fink und James Gigliello im Mai 2014.
Das Buch „LEONARD FINK COMING OUT. Photographs of Gay Liberation and the New York Waterfront” (Verlag edition clandestin, Hg. J. Luks & Th. Schoenberger) erscheint zeitgleich zur Ausstellung. Es wurde ermöglicht dank der Unterstützung folgender Institutionen: Bundesamt für Kultur, Schweiz / Heinrich Hössli Stiftung / george foundation / Georges und Jenny Bloch-Stiftung / Kresau4-Stiftung.