Am Montagnachmittag bemerkte ein Ehrenamtler des Schwulen Museum* mehrere Schusslöcher im Fenster neben dem Eingang unseres Hauses. Daraufhin rief das SMU* die Polizei, die umgehend erschien und den Tatort untersuchte sowie fotografierte. Aufgrund der Bilder schaltete sich sofort das Landeskriminalamt (LKA) ein und sperrte die Straße vorm Museum ab. Ein halbes Dutzend Beamt_innen begann, den Tatort zu vermessen und Spuren zu sichern. Dabei stellte sich heraus, dass es nicht nur um vier Einschusslöcher im Fenster geht, sondern zwei weitere im Fensterrahmen.
Die Beamt_innen äußerten die Sorge, dass es schwer sein wird, die Täter_innen zu finden. Dennoch laufen seit gestern die Ermittlungen des LKA. Bis diese abgeschlossen sind, wird es keine weiteren Auskünfte geben.
Der Anschlag aufs Schwule Museum* fällt in eine Zeit, in der in Bayern ein schwarzer katholischer Priester wegen Morddrohungen sein Amt niederlegte, der Leitartikel in der aktuellen Ausgabe von „Die Zeit“ betitelt ist „Die Angst regiert“ („Angst vor zu vielen Flüchtlingen, die ins Land strömen könnten; die Angst vor der AfD; die Angst vor einem Auseinanderbrechen Europas; und, ja, auch die Angst vor einem Terroranschlag im Land“). Dieses Angst-Umfeld mag erklären, warum die Presseresonanz auf das Ereignis auffallend groß ist.
Erst vor einem Jahr hat das SMU* in der Ausstellung „Neues in der Sammlung“ zwei Objekte gezeigt, die homophobe Hassverbrechen dokumentieren: einmal die Steine, mit denen 2013 in Hamburg die Fensterscheiben des Magnus-Hirschfeld-Zentrum eingeschlagen wurden sowie ein mit homophoben Beschimpfungen vollgeschmiertes Paket, in dem ein Mann „The Big Penis Book“ an den Gmünder Verlag zurückgesandt hatte, nachdem er merkte, dass es sich bei dem Titel nicht um einen Penisvergrößerungsapparat handelte. Ein Mitarbeiter des SMU* sagte, dass man unbedingt die Fensterscheiben aufbewahren solle für die Sammlung des Museums, wenn sie ausgebaut werden.
Die meisten Mitarbeiter_innen des Schwulen Museum* sind ehrenamtlich tätig, auch deshalb, weil für viele das Museum ein sicherer Ort ist, wo sie so sein können, wie sie sind, ohne Sorge, nicht akzeptiert zu werden. Als Täter_in kann – realistisch – jeder in Frage kommen.
Nachtrag vom 2. April 2016
Die französische Schule École Voltaire auf der Kurfürstenstr. 53 hat inzwischen ähnliche Einschusslöcher an ihrem Gebäude entdeckt. Die Schule wird von vielen ausländischen Kindern besucht, darunter etliche mit Herkunft aus afrikanischen Ländern. Die Schulleitung steht im Kontakt mit der Polizei und dem Schwulen Museum*.