Die Entwicklung der Safer-Sex-Empfehlungen für schwule Männer durch die westdeutschen AIDS-Hilfen erfolgte in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre in kontroversen Debatten. Dabei waren die westdeutschen Safer-Sex-Botschaften höchst „permissiv“ im Vergleich zu den Niederlanden, wo zunächst vom Analverkehr abgeraten wurde, oder zu den USA, wo auch bei Fellatio zum Kondomgebrauch geraten wurde. Seit 1996 veränderten die antiretroviralen Medikamente die Situation grundlegend. Sie machten AIDS zu einer behandelbaren chronischen Krankheit. Martin Dannecker führte vor diesem Hintergrund die Unterscheidung zwischen dem „alten“ und dem „neuen“ AIDS in die deutschsprachige Diskussion ein. Seit Anfang der 2000er Jahre kam es zu einer Diskussion über eine Erosion des Safer Sex, in den Medien wurde über eine „zunehmende Sorglosigkeit“ debattiert. In den 2010er Jahren wurde, zunächst in den USA, in GB und in Frankreich, dann auch in Deutschland, die Einführung der PrEP (Prä-Expositionsprophylaxe) für alle gefordert. Diese Entwicklung soll nachgezeichnet und kritisch kommentiert werden.
Michael Bochow, Jg. 1948, Dr. rer.pol., Soziologe, von 1978 bis Ende 1986 tätig in der Bildungsforschung und Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, seitdem engagiert in der sozialwissenschaftlichen AIDS-Forschung und Minderheitenforschung. Tätig am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung von September 2005 bis Juni 2012, seitdem freiberuflich aktiv. Zahlreiche Veröffentlichungen zur AIDS-Prävention für schwule Männer/andere MSM und zu den Lebenswelten schwuler Männer, u.a.: „Schwules Leben in der Provinz – Zum Beispiel Niedersachsen“ (Edition Sigma, Berlin 1998)- Veröffentlichungen zur sozialen Situation von Migranten mit muslimischem Hintergrund und gleichgeschlechtlichen Sexkontakten, (zusammen mit Rainer Marbach): „Homosexualität und Islam“ (MännerschwarmSkript, Hamburg 2004)
Michael Bochow ist einer von 8 ExpertInnen, die für die Ausstellung interviewt wurden und in „Faszination Sex“ an mehreren Audiostationen zu hören sind.