Brücken bauen durch Kommunikation
Joachim lebt jetzt in der Stadt, in die er nie wollte. Nachdem Berlin doch noch sein Herz erobert hat, bewarb er sich noch vor seinem Umzug als Ehrenamtlicher im SMU. Nach einem Jahr – durch Lockdowns leider unregelmäßigen – Dienst in Museumsaufsicht und Café ist Joachim nun Ehrenamtssprecher. Und Joachim hat mit dem SMU noch viel vor.
SMU: Stell dich doch mal in drei kurzen Sätzen vor: woher kommst du, was machst du hauptberuflich, was sind deine größten Hobbys und Leidenschaften?
Joachim: Ich bin Joachim, bin in Essen im Ruhrgebiet geboren und aufgewachsen. 2017 kam ich in „die Stadt, in die ich nie wollte“, die aber dann von Besuch zu Besuch für mich immer interessanter und wichtiger geworden ist, sodass ich schon bald Neuberliner wurde. Beruflich bin ich Erzieher und habe lange Jahre in Essen im hörgeschädigten Bereich, als auch ehrenamtlich in queeren und kulturellen Projekten mitgearbeitet. Seit kurzem bin ich Rentner. Meine Interessen sind vielseitig, insbesondere beschäftigen mich politische und gesellschaftliche Themen, als auch die energetische Heilarbeit. Zu meiner Entspannung lese ich, vorwiegend Kriminalliteratur, höre Musik und koche auch gerne. Neuerdings lerne ich gerade Tanzen.
Wie bist du zum ersten Mal mit dem Schwulen Museum in Berührung gekommen? Wann und wie begann dein ehrenamtliches Engagement im Haus?
Als ich 2017 anfangs sporadisch nach Berlin kam, war mir bereits klar, dass ich mich ehrenamtlich engagieren möchte. Über die Freiwilligenagentur Mitte erhielt ich hierzu Anfang 2020 mehrere interessante Angebote, eines vom SMU. Die Aussicht, hier im Museumsdienst mitzumachen, interessierte mich sofort, so dass ich mich umgehend bewarb. Allerdings fiel meine Bewerbung wirklich zeitgleich mit dem ersten Lockdown zusammen, sodass ich erst im Mai 2020 die Möglichkeit bekam, den Museumsdienst im SMU und seine Aufgaben real kennenzulernen. Im November 2021 wurde ich zum Sprecher der Ehrenamtlichen im Museumsdienst in der Vorstandssitzung des SMU gewählt. Ich freue mich auf diese neue Aufgabe.
Was genau machst du im Museum, was sind deine Aufgaben, wie oft bis du da? Was machst du besonders gern dort?
Über die Zeit hat sich bei mir vor allem der Donnerstag als fester Tag eingespielt, an dem ich im Museumsdienst mitarbeite. Gerne bringe ich mich ein und die Zusammenarbeit mit all den anderen Kolleg*innen gefällt mir sehr gut. Zu meinen Aufgaben gehört neben der Vorbereitung der Ausstellungen für Besucher*innen, die Zubereitung von Getränken im Café des SMU, sowie der Empfang von Besucher*innen an der Kasse.
Was ich als Ehrenamtssprecher mache? So ganz genau weiß ich dies in der kurzen Zeit noch nicht. Besonders möchte ich die Sichtweisen der Ehrenamtlichen gegenüber dem Vorstand und den hauptamtlichen Mitarbeiter*innen vertreten. Vorgeschlagen wurde ich von einigen Kolleg*innen – zuerst habe ich dies eher als einen Spaß verstanden. Zunehmend zeigte sich, dass auch andere es gut fanden, dass ich kandidiere. Inzwischen glaube ich, dass ich bisherige berufliche und ehrenamtliche Erfahrungen gut ins SMU einbringen kann. Bestimmte Themen haben auch hier im SMU für das Engagement von Ehrenamtlichen Bedeutung, wie zum Beispiel Transparenz, sowie eine gut funktionierende Kommunikations- und Organisationsstruktur. Es würde mich freuen, wenn ich dazu beitragen kann, Strukturen zu hinterfragen und bei Bedarf zu optimieren, sodass Ehrenamtliche Bestätigung nicht nur durch anerkennende Worte erhalten, sondern alltäglich in ihrer Arbeit spüren. Sie sollen sich denken: „Oh, das ist toll hier! Hier genau bin ich richtig!“
Warum ist das Museum für dich ein wichtiger und besonderer Ort?
Ich war früher nie in Berlin, also war ich auch nie im SMU zu Gast, weil Berlin früher halt die Stadt war, die mir nichts sagte. Interessiert hatte ich aber mitbekommen, dass es so etwas wie das Schwule Museum gibt. Es hört sich vielleicht einfach an… aber gerade weil es diesen Ort gibt, ist es ein für mich wichtiger Ort. Sicherlich verbindet man mit dem Museum viele wichtige und notwendige Bedeutungen, doch ich finde es einfach gut, dass es dieses Museum so ganz selbstverständlich geben kann und gerade das macht es für mich besonders.
Was war dein schönstes Erlebnis im SMU? Gibt es eine SMU-Ausstellung (oder auch mehrere), die dir besonders in Erinnerung geblieben ist? Was hat dich daran beeindruckt? Oder auch eine Veranstaltung?
An mehrere schöne und auch interessante Erlebnisse im SMU kann ich mich erinnern. Das für mich schönste Erlebnis war aber sicherlich im Frühjahr 2021 die Möglichkeit, das SMU nach dem zweiten Lockdown wieder zu öffnen. Des Weiteren gefällt mir die wirkliche internationale Bekanntheit und Bedeutung des SMU – hör- und sichtbar wird dies nahezu täglich durch interessierte Besucher*innen aus der ganzen Welt.
Ich habe das Museum allerdings noch nie unter „normalen“ Bedingungen erlebt. Mit meiner Bewerbung bin ich quasi in den ersten Lockdown gekommen. Dann konnten wir langsam wieder öffnen, bevor der zweite und auch dritte Lockdown kam. Somit fände ich es jedenfalls toll, mal das ganz „normale“ Museum ohne Einschränkungen mitzubekommen, um zu erleben, was alles sonst noch hier passiert bzw. passieren kann.
Leider habe ich erst wenige Ausstellungen im SMU kennengelernt. Von Kolleg*innen, die sich bereits seit etlichen Jahren hier im Museumsdienst engagieren, habe ich viel Bemerkenswertes über frühere Ausstellungen des SMU erfahren. Ich selbst fand die Ausstellung „Rosarot in Ost-Berlin“ interessant und informativ, da hier die Möglichkeit gegeben wurde, einen interessanten und wichtigen, wenn auch sicherlich nur knappen Einblick, von der Lebenssituation queerer Menschen in der ehemaligen DDR zu erhalten.
Gibt es etwas, das dir im Museum fehlt? Oder etwas, das du gern ändern oder verbessern möchtest?
Ich würde mich freuen, wenn dem Shop im Museum die Bedeutung zukommen würde, die er haben könnte – momentan wirkt er eher vergessen, wenn nicht gar vernachlässigt. Außerdem könnte vielleicht auch das Konzept des Cafés erweitert gedacht werden.
Wie war es, als das SMU gegründet wurde? Damals war die Situation sicherlich ganz anders. Heute ist das Museum eine Institution geworden – im positiven, wie manchmal vielleicht auch im negativen Sinne. Diesen Geist der Gründerzeit würde ich gerne spüren. Damals war wohl alles mehr in „einer Hand“ – soll heißen, dass wohl die Personen, die das Museum gegründet haben, auch die Ausstellungen kuratiert und den Gesamtbetrieb organisiert haben. Heute kommt es darauf an, Brücken zu bauen zwischen Ehrenamtlichen, Hauptamtlichen und dem Vorstand. Als Ehrenamtssprecher möchte ich mir erst einmal eine weitere Perspektive verschaffen, die Strukturen im SMU kennenlernen, und ich möchte auch daran mitwirken, die Informations- und Kommunikationsstruktur zwischen Ehrenamtlichen, Hauptamtlichen und Vorstand zu verbessern.
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