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Schätzchen des Monats: Dirk Harting und Greg Gormans Porträtfoto von Divine

1. Oktober 2022

An seinem Arbeitsplatz im Büro sieht man das Dirk nicht erst seit ein paar Monaten. Die Wände sind voll gehängt mit Bildern – die meisten davon sind von seinem Schätzchen Divine. Mit dem Job hier gerechnet hätte Dirk nie – er hat es damals gar nicht fassen können, als der die Zusage bekam. Aber nach mittlerweile 11 Jahren im Museum ist Dirk allen fest ans Herz gewachsen und ist aus dem Büro und hinter dem Empfangstresen nicht mehr wegzudenken.

Hey Dirk, stell dich doch mal vor. Wer bist du, was machst du hier und wie bist du überhaupt ins SMU gekommen?

Ich bin der Dirk, ich leite hier seit fast 11 Jahren das Sekretariat. Hier hergekommen bin ich eigentlich durch ’nen ganz doofen Zufall. Ich hatte damals nach dem Tod meines Mannes starke Depressionen und dann wurde mir empfohlen bei der Schwulenberatung zu einer Gruppe für depressive schwule Männer zu gehen. Da war ich, aber genau einmal –  danach war ich fix und foxy, da ging’s mir noch schlechter. Aber da war Kerstin, die die Gruppe geführt hat und die hat mir gesagt: „Du möchtest ja jetzt wieder ’n Job anfangen.“ – ich hatte meinen Mann ja 6 Jahre lang gepflegt – und sie hätte da ’n Job im Schwulen Museum. Und da hab ich mich dann beworben und zu meiner Überraschung hat das dann auch geklappt. Ich hatte damit nicht gerechnet, weil ich unter starken Medikamenten war und beim Vorstellungsgespräch hab ik kaum den Mund aufgekriegt.

Und wie gefällts dir jetzt hier, jetzt wo du da bist?

Ja, super! Ich hab meinen Job hier gefunden. Wo ich das anfangs nur ein halbes Jahr machen wollte, bin ich jetzt schon 11 Jahre hier.

Gab es auch schon Tage, an denen du einfach wegrennen wolltest?

Ja, natürlich. Also zu über 90% komm ich wirklich mit Freude her, die Kollegen sind alle super, es ist ein tolles Umfeld, es ist immer interessant, man lernt viele Leute kennen. Aber, ja, hier ist auch oft ganz viel Stress, man muss auch oft spontan Aufgaben übernehmen – und da muss man ein bisschen stressresistent sein. Det ist meistens, wenn so 10 Leute gleichzeitig was von einem wollen und dann unzufrieden sind – Künstler, Kuratoren ganz häufig, weil deren eigene Ausstellung ist natürlich immer die Wichtigste. Aber trotzdem komm ich immer wieder zurück, weil es einfach Spaß macht, es mir liegt und wirklich nie langweilig wird.

Dein Schätzchen ist ja Divine…

Wie kommst den da darauf? (lacht) Na mein T-Shirt sieht man direkt, aber hast du schon mein Tattoo hier an der Hand gesehen? Eins von drein ist das. Am Bein hab ich noch ganz groß Ursula aus Disney – der Charakter wurde ja von Divine inspiriert – das ist quasi die erste Drag Queen bei Disney.
Der Fotograf Greg Gorman hat dieses fantastische Foto von Divine mit den englischen Bulldoggen Beatrix und Klaus gemacht und noch am alten Museum am Mehringdamm in der Dauerausstellung gezeigt. In der Lützowstraße war es dann lange in „Tapetenwechsel“ zu sehen. Unser Archiv hat einen großen Abzug von dem Porträt. Mein Kollege Jörg Krüger hat privat auch einen kleinen Abzug von Andreas Sternweiler erhalten. Diesen hat mir Jörg gerahmt und als Einweihungsgeschenk für meine neue Wohnung geschenkt. Da war ich natürlich hin und weg.

Und warum ist Divine so wichtig für dich?

Das fing eigentlich mit der Musik an – 1982, da ist sie aufgetreten mit „Shoot Your Shot“. Und dann hab ich sie gesehen und war sturzverliebt. Liebe auf den ersten Blick würde es nicht mal ganz beschreiben, ich war wirklich sturzverliebt. Ich fand das so toll und seitdem bin ich Fan. Die Filme und so hab ich erst später entdeckt.

Hast du auch selber auch mal Drag gemacht oder warst du immer nur Fan?

Komischerweise, obwohl mich das immer magisch angezogen hat, hab ich da persönlich nie den Drang verspürt. Fürs Schwule Museum bin ich mal im SchwuZ aufgetreten, nachdem mich Patsy l’Amour laLove 3 Monate bearbeitet hat. Da hatte ich aber wahnsinnig Schiss – ich war noch nie auf ’ner Bühne gewesen und dann hab ich da gleich live gesungen und gleich vor ein paar hundert Leuten. Aber das hat super geklappt, im Backstage gab’s jede Menge Sekt und ich hab ’ne ganze Flasche getrunken… das haben übrigens alle Künstler gemacht. Und das lief super, aber für mich war das ’ne einmalige Sache.

Über was würdest du mit Divine reden, wenn du heute Abend ein Dinner Date mit ihr haben könntest?

Oh Gott, der würde ich so das Ohr abknabbern. Ich hätte hunderttausend Fragen, müsste hunderttausend Selfies mit der machen, würde sie erstmal abknutschen. Und ich würde ihr vielleicht erzählen, was sie alles so verpasst. Sie ist ja 1988 mit 42 Jahren schon verstorben und hat gar nicht mitbekommen, was sie der Community alles bedeutet hat. Sie ist eigentlich die wichtigste Drag Queen überhaupt, sie hat sämtliche Türen geöffnet, auch fürs Fernsehen. Als sie damals das erste Mal im Fernseher aufgetreten ist, haben die Leute noch angerufen und sich darüber beschwert, was denn die fette Transe da im Fernseher macht. Und wegen ihr ist sowas heute selbstverständlich – gerade auch weil sie wirklich alle Tabus gebrochen hat, auch im Bezug auf Fettfeindlichkeit. Ihre 180 Kilo hat sie nicht versteckt, sondern auch noch betont und sich nie geschämt.

Du hast ja einen Abzug von Gormans Devine-Porträt. Gibt’s irgendjemand, an den du das Bild verschenken würdest?

Nein. Das erbt vielleicht mal meine Nichte, aber solang ich lebe, bleibt das bei mir. Das ist mein Schätzchen. (lacht)